Die Kariere des Marschalls Pétain zwischen dem Ende des
1. Weltkriegs bis zum Beginn des 2. Weltkriegs wird markiert durch die Namen der Städte wo er für kürzere oder längere Zeit aus privaten Gründen lebte , wie in Paris oder Villeneuve-Loubet oder durch die Städte, in denen er sich offiziell aufhielt, wie Metz, Rabat und Meknés in Marokko, New York in den Vereinigten Staaten, Belgrad in Jugoslawien, Warschau in Polen, Burgos, San Sebastian, Madrid in Spanien, Port-Joinville (Insel Yeu), wohin er 30 Jahre später als Gefangener deportiert wird und stirbt.
Unmittelbar nach dem Ende des 1. Weltkriegs spielen vier Daten im Leben Pétains eine wichtige Rolle:
Der 11. November und 8. Dezember 1918, sowie der 28. Juni und 14. Juli 1919.
Am 11. November 1918 wird im Wald von Compiègne, bei Rethondes der Waffenstillstand unterzeichnet. General Pétain, durch Dekret vom 19. November zum Marschall befördert, äußert seine Enttäuschung und Verbitterung darüber, dass die Einstellung der Feindseligkeiten die verbündeten Armeen daran hindert, in deutsches Territorium einzudringen, um einen vollständigen Sieg zu erringen.
Am 8. Dezember 1918 wird Philippe Pétain im lothringischen Metz in Anwesenheit des Präsidenten des Nationalrats und der Militärchefs der Alliierten, vom Präsidenten der Republik der Marschallstab verliehen.
Damit wird die strategische Leistung Pétains gewürdigt, der die französischen Armeen zum Sieg geführt hat.

Am 28. Juni 1919 wird im Spiegelsaal des Versailler Schlosses der Friedensvertrag (Versailler Diktat) unterzeichnet, der bereits den Keim zum 20 Jahre später erfolgenden Ausbruch des 2. Weltkriegs in sich trägt.
Am 14. Juli 1919 erfolgt auf den Champs-Elysées in Paris die Parade der siegreichen Armeen. An ihrer Spitze marschieren unter dem Jubel der Bevölkerung die Marschälle Joffre , Foch und Pétain.
Am 14. September 1920 heiratet Philippe Pétain im Rathaus des 7. Distrikts in Paris Eugénie Hardon. Bereits im Jahre 1901 hatte der zukünftige Marschall um die Hand von Eugénie angehalten, wurde jedoch aufgrund des Altersunterschieds von 20 Jahren, von der Familie abgelehnt. Daraufhin heiratete Eugéne Hardon Francois de Hérain, von dem sie einen Sohn namens Pierre hatte. Im Jahre 1914 ließ sich das Paar scheiden. Nach der Heirat mit Pétain zogen die Ehegatten in ihr Pariser Appartement am Square de Latour-Maubourg.
Im Februar 1920 erwirbt der Marschall in Villeneuve-Loubet (Alpes-Maritimes) ein Anwesen namens „Erimitage“. Dort hofft er sich eines Tages wie Cincinnatus bei der Gartenpflege ausruhen und erholen zu können .
Der Schriftsteller Paul Valéry, der während eines Gegenbesuchs bei ihm weilte, schrieb:
„Er besitzt einen schönen Bauernhof in den Bergen. Ich gestehe, dass ich sehr erstaunt war, ihn in diesen Herbsttagen sehr beschäftigt zu sehen. Eine Führungskraft, die Weinlese wie gewohnt als taktische Operation lenkend und leitend. Er macht seinen Wein, wie er alle Dinge macht, sorgfältig und gewissenhaft.“
In einem Brief, den er im Jahre 1934 an seinen Neffen Omer schrieb, begründet Pétain sein Festhalten an der Feldarbeit mit den Worten: „Ich machte einige Versuche auf unserem Land, die ziemlich gut und erfolgreich verlaufen sind; ich kelterte Wein, presste Olivenöl, erntete Gemüse und Früchte, züchtete Geflügel usw..“
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Durch Dekret vom23. Januar 1920 wird Pétain zum Vizepräsidenten des Höheren Kriegsrates (C.S.G) ernannt und bleibt in dieser Funktion im Falle eines neuen Konflikts Befehlshaber. Der allgemeine Stab der Armee wird ihm unterstellt, während der Chef des Generalstabs ihm beigeordnet wird. Ein Dekret vom 18. Februar 1922 ernennt ihn außerdem zum Inspekteur der Armee. Damit wird er automatisch beratendes Mitglied des Höheren Rates der nationalen Verteidigung (C.S.D.N.).
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Im Jahre 1921 macht Philippe Pétain einen offiziellen Besuch bei Gabriel Guist’hau, dem Marineminister, der in Port-Joinville auf der Insel Yeu das Anwesen „Simounelles“ besitzt. In diesem Haus wird er 30 Jahre später als Gefangener sterben !
Im Marokko des Jahres 1924 unterwerfen sich die ansässigen Stämme den Befehlen ihres Führers Abd-el-Krim. Der dort lebende Marschall Layautey teilt der Regierung in Paris den Ernst der Lage mit. Im Jahre 1925 bittet der Ratspräsident, Paul Painlevé, Philippe Pétain, sich vor Ort zu begeben; dieser fordert nach seiner Ankunft eine Truppenverstärkung , um eine Abspaltung zu verhindern und übernimmt gleichzeitig den Befehl über die militärischen Operationen, die im Mai 1926 mit der Unterwerfung Abd el-Krims und der Niederschlagung des Aufstands in Rabat beendet werden.
Nunmehr wurde ein Konflikt über die Kompetenzverteilung zwischen Pétain und Lyautey unausweichlich. Jedoch zeigt eine Akte mit acht Briefen von Lyautey an Petain, sowie Briefen von General Laure an seine Ehefrau, veröffentlicht unter dem Titel: „Documents pour l’Histoire“ (Editions de Sauvebonne) und unterschrieben von General René Laure, die Wirklichkeit der Beziehungen zwischen den zwei Marschällen. Diese Wirklichkeit unterscheidet sich sehr stark von der Legende. Es ist bekannt, dass Lyautey 1933 zu Pétain sagt: „Herr Marschall, zwischen uns ist nichts, zuerst kommt Frankreich !“
Bei der Bestattung des berühmten afrikanischen Marschalls
Lyautey im Jahre 1934 erweist ihm Pétain mit bebender Stimme folgende Ehrerbietung: „ Am Grab dieses großen Franzosen wünsche ich mir, dass die Vereinigung (mit Marokko) zum Gesetz des Handelns für unser großes Volk wird. In der Stunde, wo der Verstorbene die Stille benötigt, um seine Wunden zu verbinden und die Zukunft vorzubereiten, wünsche ich, dass nur ein Gedanke alle anderen beherrscht, so wie Lyautey von ihm beherrscht wurde: die Sorge um Frankreich.“
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Am 22. Januar 1931 erhält Pétain einen Sitz in der Académie Française, nachdem er am 20. Juni 1929 für den im gleichen Jahr verstorbenen Marschall Foch als Kandidat nominiert wurde. Zuvor, im Juli 1919, war er an die Akademie für politische und moralische Wissenschaften berufen worden. Pétain übernahm es, als Antrittsrede eine Würdigung von General Foch vorzunehmen und sein Manuskript General Weygand vorzulegen. Der anwesende
Paul Valéry sagte zu ihm u.a. folgende Worte: „Ihre Taten sind Worte, Ihre Worte sind Taten. Sie sind unter uns Militärführern derjenige, der mit 6000 Männern einen Krieg begonnen und ihn an der Spitze von 3 Millionen Soldaten vollendet hat.“
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Am 9. Februar 1931 wird General Pétain zum Generalinspekteur der Luftverteidigungskräfte ernannt, nachdem zuvor General Weygand zum Vizepräsidenten des Höheren Kriegsrats und zum Generalinspekteur der Armee berufen wurde.
Im Oktober 1931 begibt sich der Marschall als offizieller Vertreter Frankreichs in die Vereinigten Staaten, um den 150. Jahrestag des Sieges von Yorktown (Virginia) über die Engländer zu feiern, der die amerikanische Unabhängigkeit einleitete. Am 24. Oktober hält er in diesem Zusammenhang in New York eine große Rede, in der die französisch- amerikanische Freundschaft gepriesen wird.
Im Jahre 1934 nimmt er in Belgrad an der Bestattung des Königs Alexander von Jugoslawien teil, der in Marseille ermordet wurde und im Jahre 1935 vertritt er Frankreich bei den
Beisetzungsfeierlichkeiten für den polnischen Staatschef
Marschall Pilsudski in Warschau. Bei diesen Anlässen trifft er Marschall Goering, der Deutschland vertritt. Nicht ahnend, dass er ihn nach einer Reihe tragischer Ereignisse für Frankreich sechs Jahre später wiedersehen wird.
Nach der Aufdeckung verschiedener Skandale halten französische Kriegsveteranen am 6. Februar 1934 auf dem Place de la Concorde in Paris eine Kundgebung ab. In deren Verlauf kommt es zu einer Konfrontation mit den Ordnungskräften, bei der 20 Teilnehmer getötet und zahlreiche andere verletzt werden.
Der ehemalige Präsident der Republik, Gaston Doumergue, wird zum Ratspräsidenten ernannt. Er beruft Marschall Pétain zu seinem Kriegsminister. Während seiner nur einige Monate dauernden Amtszeit stimmt Pétain, außer einigen anderen Maßnahmen, gegen den Widerstand der Opposition der Erhöhung bestimmter Kredite zu. Er bemüht sich ferner, dass Vorgehen der neugegründeten Ministerien für Krieg, Marine und Luftfahrt zu koordinieren. Gleichzeitig verwendet er seine ganze Kraft um die Moral der Armee und der Nation zu festigen und antimilitaristische Tendenzen oder Gewissenseinwände zu bekämpfen.
Am 6. April 1935 übergibt General Pétain der Höheren Kriegsschule den Orden der Ehrenlegion. Bei dieser Gelegenheit hält er einen Vortrag, dessen strategische Weitsicht sich in naher Zukunft bestätigen wird:
„Es ist notwendig, alle Möglichkeiten zu berücksichtigen, die uns durch das gepanzerte Gerät und durch das Flugzeug erschlossen wurden. Das Kraftfahrzeug, ebenso wie der Panzer ausgerüstet mit Raupenketten, stellt die Geschwindigkeit in den Dienst der Kraft …Das Flugzeug sprengt den Rahmen der Schlacht und ändert die Bedingungen der strategischen Aktionen.“
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Um die französischen Streitkräfte zu vereinigen entsteht im Jahre 1936 ein „Ständiger Ausschuss der nationalen Verteidigung“, der sich bis zum Jahre 1939 regelmäßig treffen wird. An dessen Sitzungen nimmt Marschall Pétain teil. Dabei hört er nicht auf daran zu erinnern, dass in Kriegszeiten die Befehlsgewalt in einer Hand liegen muss. „Die Luftstreitkräfte müssen entweder mit den anderen Waffengattungen
zusammenarbeiten oder getrennt arbeiten, um den Krieg in Feindesland zu tragen.
Jedoch müssen die Aktionen der drei Waffengattungen koordiniert werden. Und deshalb bedarf es einer einzigen Befehlsgewalt… Ich befürworte keinen Führer in Friedenszeiten, aber in Zeiten des Krieges…“
Im März 1939 wird Marschall Pétain zum spanischen Botschafter ernannt. Zu dieser Zeit tobt der Bürgerkrieg zwischen den Nationalisten Francos und der „Frente Popular“ der Republikaner. Dieser mörderische Bruderkrieg endet am 28. März mit der Einnahme von Madrid durch die Nationalisten. Am 20. März hatte Phillipe Pétain in Burgos General Franco sein Akkreditierungsschreiben mit der Bemerkung vorgelegt, er sei für diesen Posten benannt worden, um die Beziehungen zwischen Frankreich und Spanien zu normalisieren und zu verbessern.
Während der Erfüllung seiner Aufgabe erklärt Frankreich, im Kielwasser Großbrittanniens, am 3. September 1939 Deutschland, das soeben Polen angegriffen hat, den Krieg.
Pétain verlässt Burgos und zieht zunächst nach San Sebastian; später im November nach Madrid. Er erfüllt die ihm gestellten Aufgaben in vollem Umfang: Die Rückgabe des eingelagerten spanischen Goldes aus den Depots der französischen Nationalbank und die Zusage der Neutralität Spaniens in dem soeben aufflackernden Konflikt. Bevor sich die militärische Lage Frankreichs verschlimmert, beschließt Paul Reynaud, die Marschälle Pétain und Weygand zurückzurufen. Am 16.Mai sendet er Pétain ein Telegramm mit der Aufforderung nach Frankreich zurückzukehren und bietet ihm das Amt des Vizepräsidenten an. Die Situation der französischen Armee und der Alliierten erlaubt es Pétain nicht, diese Verpflichtung abzulehnen , die ihm noch viele Opfer abverlangen wird.